Reisegebiet: | Mecklenburger Seenplatte (Mecklenburg-Vorpommern) |
Reisezeit: | September 2018 |
Start-Basis: | Marina Wolfsbruch |
Hausboot-Crew: | 4 Erwachsene in den besten Jahren :-) |
Unser Boot: | Classique |
Hausboot-Route: | Marina Wolfsbruch - Rheinsberg - Wolfsbruch - Vilzsee - Mirow - Priepert - Fürstenberg - Marina Wesenberg - Zierker See - Neustrelitz - Wesenberg - Marina Wolfsbruch |
Von See zu See und durch grüne Flussauen gleiten, Ruhe und Entspannung tanken. Das Gefühl von Freiheit und Entschleunigung genießen, die Langsamkeit des Seins entdecken ... So versprechen es die Prospekte für einen Urlaub auf Charteryachten und Hausbooten. Ein Bootsführerschein sei nicht erforderlich, in einer dreistündigen Charterschulung würde einem alles Wissenswerte beigebracht. Auch Vorkenntnisse in Bootsfahren seien nicht nötig. Nach einer Probefahrt könne es direkt losgehen. Es wäre wie Autofahren, nur entspannter.
Das war unsere Erwartung, als wir bei Le Boat eine Yacht charterten für eine Woche auf der Mecklenburger Seenplatte. Nun, es gab sie auch, diese ruhigen Momente des Genießens. Aber für uns ungeübte Landratten war es schon eine ziemlich abenteuerliche Herausforderung, vor allem für mich, der mangels anderer Freiwilliger den Kapitän, korrekter gesagt den Skipper, geben sollte.
Wir sind zwei Paare in den besten Jahren und hatten in Wolfsbruch eine Classique mit vier Kabinen und zwei Badezimmern gebucht. Ein Boot der Standardklasse, 12,80 Meter lang und 4,10 Meter breit. Es hatte schon 18 Jahre auf dem Buckel, war aber soweit gut in Schuss. Auf das Alter wies insbesondere der vom jahrelangen "Stoßverkehr" gezeichnete umlaufende Rammschutz hin. Auch mit Blick auf die reichlich angebrachten Fender an allen Booten war unser erster und nicht ganz falscher Eindruck, dass wir es mit schwimmenden Autoscootern zu tun hatten.
Das Boot war für acht Personen ausgelegt, zwei Waschräume mit WC, zwei Duschräume, vier Kabinen für je zwei Personen, die wir mit jeweils einer Person nutzten. Küche und Salon waren entsprechend großzügig bemessen. Die Bugkabine hatte ein geräumiges Bett, jedoch kaum Ablagemöglichkeiten. Die benachbarte Kabine hatte zwei Stockbetten, die für große Personen nicht ausreichend gewesen wären. Als Ersatz für den ebenfalls geringen Stauraum konnte hier das zweite Bett herhalten. Auch die zwei Heckkabinen waren beengt, aber für die Belegung mit je einer Person bis auf eine ungünstig platzierte Ablagekonsole über dem Bett, an der man sich nachts blaue Flecken holen konnte, einigermaßen bequem. Die Waschräume waren eng, aber ausreichend für die nötigste Hygiene. Die Duschen waren als Sitzduschen ausgeführt, jedoch so eng, dass wir sie nur ein einziges Mal für eine "Katzenwäsche" benutzt haben. Das bedeutete, auch in Hinblick auf den begrenzten Frischwassertank, dass man wie beim Camping in den Marina-Einrichtungen zu duschen hatte. Manche Marinas hatten auch einen angeschlossenen Campingplatz oder Wohnmobilstellplatz. Aber wir hatten Standardklasse gebucht, da erwarteten wir keinen Luxus und waren soweit zufrieden.
Die dreistündige Charterschulung bestand aus einer dreiviertelstündigen theoretischen Unterweisung sowie einer Dreiviertelstunde an Bord, wo uns alle Funktionen des Bootes erläutert und vorgeführt wurden, einschließlich einer kurzen Einweisungsfahrt. Ob mit den fehlenden anderthalb Stunden die jeweilige Wartezeit gemeint ist? Wir hatten uns zuvor schon einiges angelesen, das Kapitänshandbuch von Le Boat sowie eine hinzugekaufte Charterfibel, daher war die theoretische Unterweisung für uns ausreichend. Wichtig waren in jedem Fall die Hinweise auf lokale Besonderheiten, die stelle ich mir auch für Führerscheininhaber nützlich vor. Die Einweisungsfahrt war jedoch zu kurz geraten für einen Anfänger, wie sich schnell herausstellen sollte.
Wir hatten die Route zuhause vorbereitet, wollten am ersten Tag von der Marina Wolfsbruch bis Rheinsberg fahren, um erst einmal das Boot kennenzulernen. Die Route bis Rheinsberg kannte ich vom Vorjahr, als ich mit meiner Frau in Wolfsbruch ein kleines Kajütboot hatte. Dieses Bootserlebnis war es auch, dass uns Lust auf die jetzige Tour gemacht hatte.
Die Höchstgeschwindigkeit führerscheinfreier Boote in dieser Region ist 12 km/h. Auf ungefähr dieses Tempo war unser Boot mit 2.100 UpM gedrosselt; es gab nur einen Drehzahlmesser, keinen Tachometer. In Kanälen soll man langsamer fahren, empfohlen wurden in der Unterweisung 1.800 UpM, um den die Uferbefestigung schädigenden Wellenschlag zu reduzieren. Ich hatte gelernt, dass man ein Boot umso besser steuern kann, je schneller es fährt. Daher fuhr ich auch erst einmal mit den jeweiligen Höchstgeschwindigkeiten.
Das ließ sich zunächst ganz gut an. Aber dann kam an der Einfahrt in den Schlabornsee die erste Engstelle, eine schmale Brücke mit zwei Pfählen als Abstandshalter oder besser "Rammbock" für die Durchfahrt. Ich steuerte mittig darauf zu, schaffte es aber nicht ganz. Wir alle sahen, dass das Heck gleich einen der Pfähle touchieren würde, und ich hatte keine Ahnung, wie ich das verhindern könnte. Es war ein heilsamer Schreck und eine Ermahnung, langsamer zu fahren. Dann würden noch Handlungsmöglichkeiten bleiben und ein Zusammenprall ginge sanfter vonstatten.
Im Schlabornsee teilt sich die Wasserstraße, und ich war mir plötzlich unsicher, welcher Abzweig der richtige wäre. Einfach mal anhalten und in die Karten schauen geht ja nicht. Man kann mit dem Rückwärtsgang aufstoppen, bis man steht. Aber selbst wenn man das auf den Punkt schafft, treiben Strömung und Wind das Boot weiter. Außerdem lagen die Karten irgendwo im Salon und es hatte sich auch niemand vorher so richtig mit den Karten beschäftigt. Ich drosselte das Tempo so gut es ging und schickte die Crew auf die Suche nach den Karten, die wir dann gemeinschaftlich studierten.
Am Ziel angelangt fuhr ich erst noch eine kleine Runde vor dem malerischen Schloss, um dann den Yachthafen Rheinsberg anzusteuern. Am Hafen rätselten wir dann, ob wir am richtigen Ort wären und wo man anlegen dürfte. Wir sahen weder ein Schild mit dem Namen des Hafens noch sonst einen Hinweis auf Anlegemöglichkeiten für Gäste. Uns war auch das erforderliche Prozedere unbekannt - muss man vorher anrufen, welchen Platz darf man nehmen, wird man eingewiesen? Wir konnten vom Boot aus auch nicht erkennen, wo überhaupt freie Plätze waren. Einfach mal durch die Reihen zu fahren und nachzuschauen traute ich mir noch nicht zu.
Dann sahen wir neben den liegenden Booten parallel zum Ufer einen freien Steg. Da wollten wir anlegen und jemanden fragen, ob und wo man denn hier über Nacht bleiben könnte. Ich vermutete richtig, dass man mit dem Heck anlegen, den Steg also rückwärts ansteuern musste, doch das war leichter gesagt als getan. Letztes Jahr das kleine Kajütboot mit Außenbordmotor ließ sich intuitiv steuern. Ein mehrere Tonnen wiegendes Boot dagegen wie dieses hier mit Schiffsschraube und Ruderblatt hat ein ganz anderes Fahrverhalten. Insbesondere rückwärts fahren ist kompliziert, das lernt man nicht in einem Fünf-Minuten-Crashkurs. Und ich hätte es auch ohne Bugstrahlruder, über das das Boot glücklicherweise verfügte, bis zum Ende der Fahrt nicht beherrscht. Ein Boot zu steuern ist überhaupt nicht mit Autofahren zu vergleichen, wie die Werbung behauptet.
Bei der kurzen Einweisungsfahrt fuhren wir zwar ein Stück rückwärts und setzten auch rückwärts in die Parkbucht. Aber es wurde nicht erklärt oder gar geübt. Kurz gesagt, ich hatte keine Ahnung und probierte es wie mir gezeigt wurde mit langsamer Rückwärtsfahrt bei eingeschlagenem Ruder und kurzen kräftigen Vorwärtsschüben. Das klappte überhaupt nicht. Das Boot drehte in die falsche Richtung und entfernte sich zudem vom Steg. Ich wurde hektisch, gab planlos Rückwärts- und Vorwärtsschübe, steuerte wahllos in beide Richtungen, erinnerte mich an das Bugstrahlruder aber verwechselte bei diesem ständig rechts und links. Ein Wunder, dass ich am Ende doch irgendwie mit einem nur leichten Rumms das Heck so ungefähr am Steg liegen hatte.
Ich schickte die Crew runter, das Boot festzumachen und dann jemanden zu suchen, der uns die gewünschte Auskunft geben könnte. Das klappte beim ersten Mal dann auch noch nicht perfekt - die Leinen hielten nicht, und während alle meine Mitreisenden ausgeschwärmt waren, stellte sich das Boot langsam diagonal zum Anleger.
Die Frau des zweiten Paares war als erste fündig geworden und kam mit dem Hafenmeister zurück. "Wie haben Sie denn angelegt, das habe ich ja noch nie gesehen", fragte er amüsiert und half ihr, das Boot heranzuziehen und vernünftig festzumachen. Danach hatte sie Blasen an den Händen, weil wir zwar Handschuhe dabei hatten, diese aber wie zuvor die Karten noch im Salon lagen. Aber zum Glück hatten wir zufällig einen korrekten Liegeplatz erwischt und konnten dort über Nacht bleiben.
Bei einem deftigen Abendessen im Rheinsberger Ratskeller erholten wir uns von den Aufregungen des Tages und beschlossen den Abend wie auch alle folgenden gemütlich im Salon bei einem Glas Wein. Gerne hätten wir die Abende auch auf Deck verbracht, aber dafür wurde es leider schon zu kalt.
Das Frühstück bereiteten wir uns jeden Morgen gemeinsam im Salon. Wir hatten sicherheitshalber für die ganze Woche Verpflegung mitgebracht. Hier in Rheinsberg konnte man zudem wie in den meisten anderen Marinas auch fußläufig frische Brötchen kaufen.
Dann nahmen wir uns etwas Zeit, die anstehende Tagesroute vorzubereiten. Es sollte planmäßig nach Mirow gehen. Wir suchten die Gewässerkarten für die Strecke dorthin heraus und legten sie zusammen mit einem Übersichtsblatt der Verkehrszeichen, das in den Unterlagen von Le Boat enthalten war, einem Fernglas, um Verkehrszeichen von Weitem ausmachen zu können, sowie Handschuhe für alle am Fahrstand zurecht. Ab jetzt jeden Morgen, Lektion gelernt.
Die Gewässerkarten von Le Boat hätten im Übrigen nur schwerlich für eine Routenplanung oder die Navigation ausgereicht, da sie immer nur einen Ausschnitt darstellten. Wir hatten zuvor neben der Charterfibel auch einen Törnplaner und Gewässerkarten für die kleine und die große Mecklenburgische Seenplatte gekauft. Diese Unterlagen erwiesen sich im weiteren Verlauf der Reise als eigentlich unentbehrlich. Auch Knoten hatten wir mit gekauftem Schulungsmaterial geübt, was hilfreich war, aber nicht unbedingt erforderlich gewesen wäre. Die App von Le Boat funktionierte auf meinem Smartphone nicht richtig, sie wäre sonst vielleicht eine weitere Hilfe gewesen. Es gibt gute Apps für Skipper, auf die ich aber leider erst nach der Reise gestoßen bin.
Auf gings den Weg zurück und zur Schleuse Wolfsbruch. Über das Schleusen hatten wir schon schreckliche Geschichten gehört und gelesen. In der theoretischen Schulung wurde uns von zwei Todesfällen bei der Schleusung berichtet. In der Schleuse Wolfsbruch war auch am Vortag noch jemand über Bord gegangen. Die Charterfibel nennt die Schleuse in der Überschrift zum Schleusenkapitel "Kammer des Schreckens". Wir hatten daher einigen Respekt vor dem Schleusen, aber es war dann eigentlich überhaupt kein Problem, kostete nur Zeit.
An der Wolfsbrucher Schleuse lagen mehrere Boote in Warteposition. Da war Geduld gefragt. Die Schleuse hat Platz für zwei bis drei Boote. Da auch der Gegenverkehr geschleust werden will, dauert es leicht 20 Minuten, bis man in der Warteschlange weiter vorrücken kann. Ich versuchte immer, diese Wartebereiche so anzufahren, dass ich nur aufzustoppen brauchte und die Crew das Boot vorne und hinten anleinen konnte. Wenn das nicht gelang, musste ich zumindest den Bug ans Ufer bringen, notfalls mit dem Bugstrahlruder. Das Heck musste die Crew dann, zumindest anfangs, mit dem Bootshaken ans Ufer ziehen oder jemand musste an Land gehen und die Leine annehmen.
Oft bekamen wir dabei Hilfe von anderen in der Schleusenzufahrt wartenden Crews. Diese Hilfsbereitschaft gehört zu den schönsten Erinnerungen an die Reise. Man fühlte sich mit den meisten anderen Reisenden in einer Gemeinschaft, half sich gegenseitig, tauschte Erfahrungen aus. Egal ob erfahrene Profis mit eigenem Boot oder Neulinge wir wir. Die Leine jemandem am Ufer zuwerfen will übrigens auch gelernt sein, sie landete dabei gerne erst einmal im Wasser.
Es gab aber auch Boote, auf denen Partystimmung herrschte und man hoffen konnte, dass dort zumindest der Skipper noch alle Sinne beisammen hätte. Ein solches war das vorderste Boot in der Wartezone der Schleuse. Wir kannten es schon, es lag am Vortag in der Marina Wolfsbruch neben uns. Eine Gruppe junger Männer, die ihre Bootsübernahme erst einmal mit einem Gläschen Wein feierten und auch jetzt recht fröhlich waren. Es ereignete sich genau das, wofür wir in der theoretischen Schulung präpariert wurden: Die Schleuse Wolfsbruch ist eine Automatikschleuse, und ich fragte die Gruppe der Schulungsempfehlung folgend sicherheitshalber, ob sie auch den grünen Hebel zur Anforderung der Schleusung gezogen hätten. Nein, hatten sie nicht.
Bei Einfahrt in den Kleinen Pälitzsee beschimpfte uns jemand vom Ufer aus, dass wir zuviel Wellenschlag verursachten. In der Tat, da war ein Verbotsschild, dessen Sinn ich aber nicht gleich einsah. Ich dachte, auf Wellenschlag müsse man nur in Kanälen achten. Hier war es eine kleine Marina mit Sportbooten, die nun heftig hin- und herschaukelten. Eine erneute Ermahnung für mich, es langsamer angehen zu lassen. In Reiseberichten liest man immer wieder, dass man mit 12 km/h gemächlich dahingleitet. Aber 12 km/h sind alles andere als gemächlich. Ich fuhr ab jetzt im Regelfall die Hälfte der empfohlenen Geschwindigkeiten. Damit ließ sich das Boot immer noch sensibel steuern und die Fahrt war insgesamt entspannter.
Nun lagen noch zwei weitere stark frequentierte Schleusen vor uns, die aber beide von Schleusenwärtern bedient werden. Wir haben auf der ganzen Fahrt jedem Schleusenwärter einen oder zwei Euro in die Hand gedrückt, wie uns empfohlen worden war. Die haben sich gefreut, und wir haben einige nette Gespräche mit ihnen geführt und Tipps von ihnen erhalten. Und sie waren auch nachsichtig, wenn ich mit dem Boot die Wände rammte. Ich lernte aber schnell, dass sich die Fahrt durch die Schleuse im Schleichtempo problemloser gestaltet. Die Crew auf beide Seiten verteilt als Aufpasser, um notfalls mit den Füßen für Abstand zu sorgen. So kamen wir einigermaßen gut durch die Schleusen, hatten aber einige Wartezeiten und unseren Kampf mit dem jeweils erneuten Festmachen am Ufer beim Vorwärtsrücken in den Warteschlangen.
Schließlich kamen wir in den Vilzsee. Dort hätten wir direkt in den nächsten Kanal einbiegen müssen, merkten das aber erst, als die Umgebung so gar nicht mehr der Karte entsprach. Eigentlich wollten wir zeitig in Mirow sein, um dort vielleicht in ein Café zu gehen. Dafür war es eh schon fast zu spät, und dann verfuhren wir uns auch noch! Ich schlug daher vor, zu ankern und an Bord eine Kaffeepause zu machen. Das stieß zunächst auf wenig Begeisterung, weil auch das Ankermanöver seine Tücken haben kann, wie wir gelesen hatten.
Nun sahen wir aber eine schöne Bucht, in der auch schon ein kleines Sportboot lag, da konnten wir es riskieren. Ich stoppte auf, stellte den Motor ab, ließ das Boot für den Moment treiben und setzte den Anker. Der Anker war bei diesem Bootsmodell von einfachster Ausführung, ohne Winde oder ähnlichem. Ich musste ihn heben, über eine Rolle heben und darüber ins Wasser gleiten lassen und hernach auch von Hand wieder an Bord ziehen. Ein ziemlicher Kraftakt, das Ding hatte bestimmt an die 30 Kilogramm.
Der Anker fiel bis zum Anschlag der Kette und ich fürchtete erst, das Wasser sei zu tief. Das Boot trieb noch ein paar Meter, dann hörte man den Anker über den Grund rutschen und wir schienen die Position zu halten. Die Kaffeepause tat gut und es war ein besonderes Erlebnis, mitten auf dem Wasser zu liegen. Wobei wir immer wieder abschätzten, ob wir nun abtrieben oder Position hielten. Aber es klappte. Nicht einschätzen konnten wir, ob sich das in Sichtweite ankernde Sportboot durch uns belästigt fühlte. Es waren zwei Nackedeis an Bord, die sich nach einer Weile anzogen und weiterfuhren. Ein bisschen schlechtes Gewissen hatten wir da schon.
Weiter ging's nach Mirow, wo wir am Strandhotel anlegen und dort zu Abend essen wollten. Ich rief zuvor dort an, um einen Tisch zu reservieren und zu fragen, ob wir den Anleger des Hotels nutzen könnten. Die Fahrt dorthin gelang ohne weitere Zwischenfälle. Aber das Anlegemanöver war erneut schweißtreibend, obwohl ich die Gelegenheit auf dem wenig befahrenen Vilzsee genutzt hatte, um einige Manöver zu üben.
Die Anlegestelle hat für jeden Gast eine Parzelle mit Holzpfählen abgesteckt. Die meisten Parzellen waren frei, und am dahinterliegenden Steg war jemand, der uns auf Zuruf bestätigte, dass wir hier richtig wären. Das Abstecken mit den Holzpfählen ist eigentlich eine gute Idee, es verhindert das Touchieren etwaiger Nachbarboote. Aber in eine solche Parzelle muss man erst einmal reinkommen, und zwar erneut rückwärts, um am Heck aus- und einsteigen zu können. Ich versuchte es, trieb aber auf den Begrenzungspfahl zur nächsten Parzelle zu, zog etwas vor und versuchte es bei der Nachbarparzelle, lag aber auch dort wieder ein Stück daneben. Das Spiel wiederholte sich bis ich fast an der letzten Parzelle war, in die ich uns dann endlich an den Pfählen entlangschrammend irgendwie reinmanövriert bekam.
Ich kam nun schon besser klar mit dem Boot, aber ein Gefühl für die Steuerung hatte ich noch nicht. Eine Erschwernis war, dass das Steuerrad acht Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag brauchte und die Mittelstellung nicht bei vier Umdrehungen war. Es gelang bis zum Ende der Fahrt nicht, das Ruder aus dem Stand heraus auf geradeaus zu stellen, was vielfach nützlich gewesen wäre. Und die Leerlaufstellung des Gashebels rastete nicht deutlich ein, so dass man stattdessen ungewollt auch den Vorwärts- oder Rückwärtsgang einlegte. Wir vermuteten altersbedingten Verschleiß.
Beim vorzüglichen Abendessen beratschlagten wir das weitere Programm. Das nächste Tagesziel sollte eigentlich Waren sein. In der Unterweisung wurde uns gesagt, dass wir die Müritz ab Windstärke vier nicht mehr befahren dürften, wir uns bei Ein- und Ausfahrt telefonisch an der Basis melden müssten, und dass der Stadthafen von Waren unfallträchtig sei. Mit Hinblick auf diese Risiken und der bisherigen Erfahrung speziell mit dem Anlegemanöver entschieden wir, nicht in diese Richtung weiterzufahren, sondern erst einmal zurück und dann Richtung Fürstenberg abzubiegen. Ohne festes Ziel, soweit wir halt kämen und eine schöne Marina für den nächsten Abend fänden.
Und so ging es erst einmal zurück durch die beiden schon bekannten Schleusen, die uns erneut sehr viel Zeit kosteten. Und weil es am Vortag so gut geklappt hatte, ankerten wir nach der zweiten Schleuse im Kleinen Pälitzsee auf Höhe von Heidberg und machten erneut eine schöne Kaffeepause. Dabei hatten wir das Glück, einen Weißschwanzadler am Uferwald beobachten zu können. Wieder waren wir unsicher, ob der Anker wirklich gegriffen hatte; man kann es visuell wirklich sehr schlecht beurteilen. Interessant war zu beobachten, wie sich die Ankerkette in verschiedene Richtungen spannte, je nachdem, in welche Richtung das Boot gerade trieb. Aber solange sie nicht senkrecht herunterhängt, hat der Anker logischerweise auch Halt.
Das Einholen des Ankers war diesmal noch kräftezehrender, eben weil Spannung drauf war und ich mit dem Einholen erst einmal das Boot an die Ankerposition heranzog. Dann aber ließ er sich problemlos hochziehen. In der Charterfibel steht, dass man über die Ankerpositionen hinwegfahren solle, aber so war es auch machbar und für mich vom Manöver her einfacher.
Mehrere vermutete Anlegestellen, die wir in der Gewässerkarte identifiziert hatten, erwiesen sich als ungeeignet. Wir lernten, dass Anleger, die nicht im Törnplaner stehen, auch nicht zum Anlegen geeignet sind. So fuhren wir weiter, bis wir am Spätnachmittag in Priepert ankamen. Wir sahen direkt eine gute Anlegemöglichkeit. Auf dem Steg stand jemand, der uns zeigte, wo genau wir anlegen sollten und uns dann tatkräftig beim Anlegen half.
Die Marina hat dort Parkbuchten für je zwei Boote mit seitlich hervorlaufenden Anlegestegen, an denen man rechts oder links festmachen kann. Ich fuhr langsam rückwärts an den empfohlenen Steg heran, schaffte es, mit dem Bugstrahlruder das Boot parallel zum Steg zu halten, und die Strömung des Wassers drückte uns sanft an diesen heran. Welch ein Hochgefühl, erstmals ohne Schwierigkeiten angelegt zu haben! Beim Aussteigen sah ich, dass dieser Steg eigentlich für das Vorwärtsanlegen gedacht war. Er lief dort, wo jetzt unser Heck war, schräg zu. Aber der Helfer hatte uns ja so eingewiesen, und es war auch kein Problem. Wir mussten diese Schräge nur auf sein Anraten hin mit einem Reservefender abpolstern, um das Boot nicht zu beschädigen.
Als wir erfuhren, dass dieser Helfer kein Angestellter des Hafens, sondern einfach Skipper eines anderen dort liegenden Bootes war, bedankten wir uns bei ihm mit einer Flasche Bier. Zu guter Letzt bot das zur Marina gehörende Restaurant ein recht anständiges Essen. Dieser Tag war in jeder Hinsicht perfekt.
Am Morgen signalisierte eine Kontrollleuchte, dass der Fäkalientank voll wäre. Es roch auch etwas übel, wenn man die Toilette spülte. Der Anleger mit der Pumpe war zwei Stege von uns entfernt. Nach dem Frühstück legte ich wohlgemut und optimistisch ab und fuhr in einem großen Bogen dort hin. Keine Minute später war es vorbei mit dem Optimismus. Es war recht windig an diesem Morgen, und ich hatte etwas Mühe, das Boot auf Kurs zu halten. Deshalb verfehlte ich den Anleger und musste ein Stück rückwärts fahren. Dabei wurde ich zu schnell und es drohte, mit dem Heck ein liegendes Boot zu rammen. Den Ärger wollte ich auf gar keinen Fall! Ich musste Vollgas vorwärts geben, rammte in der Folge dann aber sehr heftig einen der Pfähle, die den Pumpenanleger sicherten. Das Boot prallte ein wenig zurück, konnte dann aber festgemacht werden.
Warum Vollgas? Lesern ohne Bootserfahrung sei erläutert, dass ein Boot anders als ein Auto bei jedem Manöver mit Verzögerung reagiert. Trotz Vollgas vorwärts trieb ich noch zwei, drei Meter auf das liegende Boot zu, bevor die Vorwärtsfahrt langsam wirksam wurde. In dem Moment hätte ich schon wieder aufstoppen müssen. Hinzu kommt der Windeinfluss, den zu beurteilen mir die Übung fehlte. Alles nicht so einfach. Aber Glück gehabt, wir untersuchten den Bug kritisch auf Schäden, es war nichts passiert.
Das Abpumpen dauerte recht lange, und wir warfen mehrmals Geld nach. Ob der Tank leer war, konnten wir nicht sagen, aber wir hatten den Eindruck, zumindest einen Großteil der "Ladung" gelöscht zu haben. Aber die Kontrollleuchte blieb an. Sie sollte es bis zum Ende der Fahrt bleiben. Ein Anruf bei der Basis ergab, dass möglicherweise der Sensor defekt war und wir uns keine Sorgen machen sollten. Frischwasser füllten wir bei der Gelegenheit auch nach und machten uns dann am späten Vormittag auf den weiteren Weg nach Fürstenberg.
Kaum hatten wir offenes Wasser erreicht, fiel jemandem auf, dass der Rettungsring nicht mehr da war. Er war vermutlich durch die Erschütterung beim Rammen des Pfahls bei der Pumpe heruntergefallen und schwamm jetzt, standardmäßig angeleint, neben dem Boot. Ich schaltete sofort in den Leerlauf, weil Gefahr bestand, dass sich die Leine in der Schiffsschraube verfing. Verfangen hatte sie sich aber bereits in den Fendern. Dadurch war es ziemlich fummelig, den Rettungsring mit dem Bootshaken einzuholen.
Aber das war wohl noch nicht genug Missgeschick für diesen Tag. An der Schleuse Steinhavel war kein Boot vor uns, wir mussten nur auf den Gegenverkehr warten. Keiner von uns sah jedoch, wo wir zum Warten hätten anlegen können. Am Stoppschild sagte ich noch, dass ich hier eigentlich halten müsste, da auch die Signallichter der Schleuse rot waren. Allgemeines Schulterzucken, und ich fuhr sehr langsam weiter auf der Suche nach einer Anlegemöglichkeit. Die einzigen gelb markierten Pfähle, woran die Anlegemöglichkeiten im Wartebereich immer erkennbar sind, waren unmittelbar vor der Schleuse. Das konnte aber nicht so gemeint sein, weil dann der Gegenverkehr kaum durchgekommen wäre. Rechts davor aber sah ich eine kleine Bucht mit einer beschränkten Anlegemöglichkeit, vielleicht für ein privates Sportboot. Die nahm ich, wohl wissend, dass hier irgendwas nicht stimmen konnte.
Als wir dann dort lagen, blickten wir zurück und sahen ein weiteres Boot kommen. Und einen Moment später die Erleuchtung: der Wartebereich war nicht wie gewohnt am rechten, sondern am linken Ufer! Nun, was tun? Dorthin zurück zu fahren wäre ein heikles Manöver gewesen. Also wartete ich, bis die Schleuse frei war, und ließ dann reumütig die Zurechtweisungen des Schleusenwärters über mich ergehen. Und war froh, dass die Aktion keine weiteren Konsequenzen hatte.
Immerhin, das Anlegen in dieser kleinen Bucht gelang erstmals vorzeigbar. Ich hatte mittlerweile in der Charterfibel nachgelesen, wie man beim seitwärtigen Anlegen das Heck ans Ufer bekommt. Ganz einfach, man muss es nur wissen.
Die Schleuse Fürstenberg war wieder einmal eine Automatikschleuse. Diesmal wurde der Einfahrthebel gezogen, und es klappte soweit alles wunderbar. Wir waren das vorletzte Boot, das einfuhr. Während das letzte Boot einfuhr, nutzte ich die Zeit, um von Bord zu gehen und den Hebel zum Start der Schleusung zu ziehen. Da kassierte ich eine deftige Ermahnung von einem der anderen Skipper, dass ich das gefälligst anzukündigen hätte und zu fragen, ob auch jeder festgemacht hätte. Man lernt nicht aus!
Immerhin, es gab nicht nur Pleiten, in Fürstenberg legten wir sauber an. Es waren Anleger wie in Priepert, und diesmal fuhr ich auch korrekt vorwärts ein. Und wieder gab es einen netten anderen Skipper, der uns half und uns einen Anleger empfahl, bei dem uns der Wind beim Ablegen helfen würde.
Wir schauten uns Fürstenberg an, aßen in einem gemütlichen Straßenkaffee ein Stück Kuchen und genossen den restlichen Tag. Und später gab es im Restaurant an der Marina ein erneut schmackhaftes Abendessen.
Die Navigation an den bisherigen Tagen war nie ganz problemlos verlaufen. Die Route war zwar im Groben klar, aber es gab immer wieder Situationen, in denen ein Blick auf die Karte erforderlich war oder ein Blick durchs Fernglas. In anderen Fahrgebieten mag das einfacher sein. Von einem schnellen, flüchtigen Blick abgesehen war es für mich am Steuerrad schwierig, mich damit zu beschäftigen. Ich brauchte jemanden während der Fahrt rufbereit in meiner Nähe, der die Karte im Blick hat und stets weiß, wo wir sind und wo wir hin müssen. Bislang war diese Unterstützung dem Zufall überlassen.
Um das zu organisieren, setzte ich mich nach dem Frühstück mit allen für eine Lagebesprechung zusammen. Es war zunächst zu entscheiden, wo wir überhaupt hin wollten. Sinnvoll erschien uns Wesenberg. Über die Karte gebeugt machten wir uns gemeinsam klar, wo und wieviele Schleusen zu bewältigen waren und wo wir versuchen wollten am Nachmittag anzulegen. Damit waren alle auf gleichem Informationsstand, was bisher auch nicht der Fall gewesen war.
Die Rollenverteilung vereinbarten wir gemäß der bisherigen Erfahrung wie folgt: der zweite Mann unserer Crew sollte den Bug bedienen, das heißt Ausschau halten wo nötig und Bugleinen festmachen. Es ist sinnvoll, dass am Bug eine kräftige Person steht, da in manchen Schleusen gerade am Bug einige Turbulenzen auszuhalten sind und auch beim Anlegen erst einmal vorne die Kraft gebraucht wird. Für das Festmachen am Heck war eine der beiden Frauen zuständig, die andere war mein "Navigator des Tages" und half als Springer aus, wenn noch irgendwo anzupacken war.
Bevor wir losfuhren, pumpten wir noch einmal den Fäkalientank aus, weil die Toiletten schon wieder anfingen zu stinken, und füllten Wasser nach. In der Schulung wurde uns schon gesagt, dass die Pumpen in Priepert und Fürstenberg nicht gut funktionieren, aber welche Möglichkeit hätten wir sonst gehabt?
Das neue Konzept bewährte sich, wir hatten eine angenehme Fahrt. Nördlich von Priepert war so gut wie kein Verkehr mehr, wir konnten ganz entspannt fahren. Das lag zum einen wohl an der Nebensaison, zum anderen vielleicht auch an der allgemeinen Warnung, in diesem Gebiet wegen diesjährigen Niedrigwassers etwas vorsichtig zu sein und auf den markierten Routen zu bleiben. Die Obere Havel-Wasserstraße zwischen Drewensee und Woblitzsee ist wildromantisch und wunderschön anzusehen. Und in der Schleuse Wesenberg waren wir das einzige Boot und hatten -Premiere- keine Wartezeit. Obwohl, die Wartezeiten hatten wir im Laufe der Reise schätzen gelernt als Zeit für eine Pause und ein Schwätzchen mit den Nachbarn.
Es ergab sich trotzdem ein navigatorisches Problem, das uns Rätsel aufgab. Alle Karten, selbst Google Maps, verzeichneten an der Einfahrt in den Wangnitzsee eine kleine Insel, die zu umfahren war. Wir sahen dort aber keine Insel. Zwar sahen wir die Einfahrt in die nächste Wasserstraße, waren uns aber unsicher, ob wir diese auch direkt anfahren dürften. Ein Stück weiter im See war eine Insel, deren Lage aber nicht so richtig der Karte entsprach. Um nichts falsch zu machen, fuhren wir in ihre Richtung und sahen dann rechts am Ufer ein Verbotsschild für Motorboote. Mit mulmigem Gefühl fuhr ich langsam noch ein paar Meter weiter, drehte dann aber und fuhr besagte Einfahrt an. Das war auch korrekt. Wie ich später auf Satellitenbildern sah, war die fragliche Insel durch Baumbewuchs als solche nicht mehr erkennbar.
Kurz darauf fing die Kühlwasserstandslampe an zu flackern. Das war bei der Einweisungsfahrt auch schon einmal passiert. Der Einweiser meinte, das wäre ein Wackelkontakt, füllte aber sicherheitshalber noch etwas Wasser nach. Daher ignorierte ich die Lampe auch erst einmal. Später prüften wir den Wasserstand und informierten sicherheitshalber die Basis. Aber der Behälter war randvoll, und die Basis riet uns zum Ingnorieren. Das Problem erledigte sich dann auch von selbst, ab dem nächsten Morgen blieb zumindest diese Lampe aus.
Leider verschlechterte sich das bisher angenehme Wetter, es wurde kalt und regnerisch. Doch zum Glück fielen nur wenige Tropfen. Die Fahrt bei Regenwetter fortzusetzen wäre kein Vergnügen gewesen, ungeschützt auf dem offenen Deck, dick eingemummelt und mit Regentropfen auf der Brille. Wir hielten uns während der Fahrt immer alle dort auf, nicht nur wegen der Aussicht, sondern weil es in den Innenräumen durch das Motorendröhnen sehr laut war. Vom Benutzen des Innenfahrstands war uns zudem abgeraten worden, weil man dort eine schlechte Übersicht hat.
An der Marina Wesenberg sind wir erst vorbeigefahren, weil sie eher wie eine Bootswerft mit einigen privaten Anlegern aussah. Hier wie fast überall konnte man vom Boot aus kein Schild erkennen, auf dem der Name steht. Das Schild war vorhanden, wie wir später feststellten, aber nur von Land aus zu sehen. Wir sind dann ein Stück in den Woblitzsee gefahren, wo eine weitere Marina sein sollte, fanden aber nichts und hatten bei dem Wetter auch keine Lust auf eine ausführlichere Suche. Also zurück zur ersten Fundstelle. Auf dem Steg lief jemand, den wir fragen konnten, ob wir richtig wären. Erneut ein anderer Skipper, der uns dann auch beim ansonsten problemlosen, in diesem Fall seitwärtigen, Anlegen half.
Insgesamt waren wir mit diesem Tag sehr zufrieden. Keine Fehler gemacht, eine schöne Landschaft gesehen, einen wie sich herausstellte sehr angenehmen Anleger gefunden. Die zugehörigen Duschkabinen und Toiletten waren sauber und großzügig und erstmals so, dass man kostenlos und ohne Zeitbegrenzung duschen konnte. Glück gehabt - die Marina hat nur sehr wenige Gastanlegeplätze, und wir hatten den letzten verfügbaren erwischt.
Die Marina liegt etwas außerhalb des Ortes, eine Viertelstunde Fußweg wäre es zur Stadt. Deshalb und wegen des schlechten Wetters bereiteten wir das Abendessen an Bord zu. Wir hatten eine Notration für ebensolche Fälle eingeplant, und die wurde jetzt zufrieden und mit Appetit gegessen.
In der morgendlichen Lagebesprechung mussten wir entscheiden, wo wir denn überhaupt noch hin wollten. Einzig mögliches Ziel, das wir noch nicht bereist hatten, war Neustrelitz. Eine Sackgasse, wenn man so will, wir können hin, eine kleine Stadtbesichtigung machen und wieder zurück. Nur das Niedrigwasser jetzt am Ende des trockenen Sommers 2018, auf das wir mehrmals hingewiesen wurden, hätte dagegen gesprochen - auf dem Zierker See, an dem Neustrelitz liegt, gibt es einige zu beachtende Untiefen, die bei Niedrigwasser noch gefährlicher sind. Aber es gab auch kein Fahrverbot, also entschieden wir uns dafür.
Vor der Fahrt dorthin pumpten wir noch einmal den Fäkalientank ab, weil es schon wieder müffelte. Diese Station war mit Bedienung. Etwas teurer als der bisherige Self Service, dafür hatten wir aber das Gefühl, dass diesmal der Tank wirklich leer war. Der Wassertank wurde natürlich auch wieder aufgefüllt.
Der Weg nach Neustrelitz war zauberhaft wie schon der Weg nach Wesenberg. Es blieb trocken, war windstill, nicht mehr ganz so kalt und das Wasser spiegelglatt. Wir fuhren meist ganz allein und sehr langsam, um die Idylle zu genießen.
Eine Schleuse liegt zwischen Wesenberg und Neustrelitz, Voßwinkel, eine Automatikschleuse. In dieser kam es auf der Hinfahrt dann doch noch zu einem Schleusenschreckmoment. Während wir am Ende des Schleusungsvorgangs auf das Öffnen des Tors warteten, hantierte unser Vormann mit dem Leinenende, um es ordentlicher zu legen. Für mich machte das den Eindruck, als hätte er die Leine schon eingeholt, was aber nicht der Fall war. Als sich das Ausfahrtstor öffnete, ließ ich nur am Heck die Leinen einholen und legte den Vorwärtsgang ein. Der Vormann rief Halt und versuchte die Leine einzuholen, aber sie hatte sich in der Haltestange verfangen. Wir befürchteten einen Moment, sie würde reißen oder es würde sonst etwas Schlimmes passieren. Ich stoppte natürlich sofort auf und die Leine konnte dann eingeholt werden. Aber das lehrte mich, immer vollständige Anweisungen zu geben, auch wenn man meint, dass es nicht nötig sei.
Der Weg durch den Zierker See zum Neustrelitzer Hafen ist gut durch Bojen markiert. An der Einfahrt stand ein Hinweis, sich wegen der Untiefen strikt daran zu halten. Wir waren, zumindest bei der Hinfahrt, außer einem Ruderer das einzige Boot auf dem ebenfalls spiegelglatten See. Es war traumhaft, aber gleichzeitig wegen der bekannten Risiken und auch der Einsamkeit etwas beängstigend.
Gleichwohl, es ist alles gut gegangen, wir erreichten den beispielhaft ausgeschilderten Stadthafen Neustrelitz. Sogar der Hafenmeister erwartete uns am Ufer und fragte, ob wir Kurzparker wären oder über Nacht bleiben wollten und wies uns einen bequem anzusteuernden Liegeplatz zu. Für den Landgang in Neustrelitz reichte die Zeit einschließlich eines Kaffeehausbesuches gut aus, und wir machten uns auf den Heimweg.
Im Woblitzsee suchten wir jetzt die andere Marina, den Wasserwander-Anleger, der wirklich sehr versteckt liegt. Er hätte den Vorteil gehabt, dass wir direkt am Ort wären. Wir fuhren vorsichtig auf der Suche nach einem freien Liegeplatz in die Bucht ein und passierten einige Sportbootanleger. Es waren bestimmt 100 Meter, bis wir einen infragekommenden Anleger fanden, der aber leider besetzt war. Auf dem Boot waren Leute, die wir nach der Tauglichkeit der weiteren Anleger fragten, die wir vor uns sahen. Die Bucht wurde immer schmaler, daher wollte ich da nicht vergebens hinfahren. Sie warnten uns, weiterzufahren, da die Wassertiefe dort derzeit sehr gering wäre und wir mit unserem dicken Kahn dort sicherlich auf Grund fahren würden.
Nein danke, auf gar keinen Fall! Glück gehabt, dass wir den Tipp bekommen hatten. Dann nahmen wir lieber wieder den Anleger von gestern, in der Hoffnung, dass unser Platz dort frei geblieben wäre. Aber zunächst einmal mussten wir wieder ins offene Wasser. Drehen war unmöglich, ich musste die ganze Strecke rückwärts fahren. Und ich schaffte das! Es ging zwar sehr gemächlich vonstatten, immer wieder nur kurze Rückwärtsimpulse und Kurskorrektur mit dem Bugstrahlruder, aber es war einwandfrei gefahren und ich war schon ein bisschen stolz auf mich.
Auch in der Marina vom Vortag hatten wir Glück und konnten an der gleichen Stelle wieder anlegen. Diesmal gingen wir abends in den Ort, der eine überraschend große und sehenswerte Altstadt aufwies. Zu Abend aßen wir einer Empfehlung folgend im Restaurant Bodinka; ein typisch anmutendes Dorfrestaurant, das nicht zu Unrecht beliebt und gut besucht war.
Heute sollte es mit wieder blauem Himmel auf direktem Weg zurück zur Marina Wolfsbruch gehen. Das Boot musste am nächsten Tag um 9:00 Uhr übergeben werden. Um alles in Ruhe abwickeln zu können, wollten wir heute schon entladen und am nächsten Morgen nur eine Kleinigkeit frühstücken.
Die Route war bekannt, die Fahrt problemlos. Nur war auf dieser Strecke wieder einiger Betrieb, wodurch der Zeitbedarf für die drei Schleusen wieder groß war. Bei der Schleuse Strasen hatten wir zudem das Pech, dass wir genau zu Beginn der halbstündigen Mittagspause ankamen. Obendrein kam zum Ende der Mittagspause ein Berufsschifffahrtsboot, dem wir den Vortritt lassen mussten; die Berufsschifffahrt hat grundsätzlich Vorfahrt. In der Regel konnte man bis auf die erwähnten Ausnahmen eine halbe bis eine ganze Stunde für die Schleusung rechnen, hier haben wir anderthalb Stunden gebraucht.
Trotz einiger Missgeschicke und Anspannungen fiel mir der Gedanke an das nahende Ende des Abenteuers schwer. Ich wäre gerne noch ein Stückchen weiter gefahren, zum Beispiel nach Flecken Zechlin für eine Kaffeepause. Aber dafür wurde es durch den Zeitverlust an den Schleusen schon fast zu spät, und die Mitreisenden überzeugten mich, dass es besser wäre, sich frühzeitig einen bequemen Platz in der Marina zu suchen.
So geschah es denn, wir fanden einen leicht anzusteuernden Liegeplatz und ließen uns erst einmal im Hotel Precise Resort zur Kaffeepause nieder. Jeder war erleichtert, dass alles gut gegangen war, aber auch traurig, dass es nun vorbei war.
Während wir anschließend das Gepäck entluden, hatten wir noch einmal ein Autoscooter-Erlebnis. Wir wurden von einem Boot gerammt, das gerade die Einweisungfahrt begann, eine ausgelassene Männergruppe an Bord. Das schien aber niemanden zu stören, wir hörten nicht einmal ein Wort der Entschuldigung.
Das letzte Abendessen nahmen wir gemütlich im Restaurant Hühnerhof in Kleinzerlang ein, wo wir auch am Abend vor der Bootsübernahme schon lecker aßen. Spannend blieb jetzt noch die Bootsübergabe. Wir hatten während dieser Woche eine ganze Anzahl von Schrammen und kleineren Beschädigungen entdeckt, die nicht von uns stammten. Fahrlässig hatten wir das Boot entgegen unserem Vorsatz bei der Übernahme nicht intensiv auf Schäden untersucht, geschweige denn diese protokolliert. Aber die Bootsübergabe am nächsten Tag verlief ohne Beanstandung. Da ist Le Boat fair, wie wir überhaupt gute Erfahrungen mit diesem Vermieter gemacht haben. So konnten wir dann nach Abwicklung aller Formalitäten gegen Mittag zufrieden Abschied nehmen.
Es bleibt die Erinnerung an ein in vielerlei Hinsicht eindrucksvolles Erlebnis. Eine ganz neue Erfahrung, ein Abenteuer. Noch nie hatten wir uns auf eine Urlaubsreise so akribisch vorbereitet. Vielleicht waren wir auch deshalb manchmal übervorsichtig oder ängstlich. Obwohl bei umsichtigem Verhalten eigentlich nicht viel hätte passieren können, selbst wenn wir irgendwo auf Grund gelaufen wären. Das sind Situationen, die zwar sehr ärgerlich sind, mit denen Le Boat aber umzugehen wüsste.
Wir wurden jeden Tag, jede Stunde auf der Reise mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Dieser Bericht enthält nicht alles Erlebte und könnte doppelt so umfangreich sein. Und doch, wie eingangs geschrieben, es gab auch die ruhigen Momente des Genießens. Die vielen kleinen Missgeschicke waren die Würze, die die Reise zu etwas Besonderem machten. Es war sicherlich nicht unsere letzte Bootstour. Mit der jetzt erworbenen Erfahrung könnten die Versprechungen der Prospekte wahr werden.
Reinhard Adomeit, Bonn