Reisegebiet: | La Saône (Große Burgundreise) |
Reisezeit: | 10. September bis 15. Oktober 2021 |
Start-Basis: | Pontailler sur Saòne |
Hausboot-Crew: | Na, ich |
Unser Boot: | Riviera 750 |
Streckenlänge: | 760 km |
Schleusen: | 380 Schleusen |
Hausboot-Route: | Canal de Bourgogne, Canal du Nivernais,Canal lateral à la Loire; Canal du Centre und Saóne |
Eine Frage vorweg: Muss man für so eine Tour süchtig sein? Nach täglichen Fahrzeiten von 5 bis 7 Stunden, Schleusen ohne Ende und der Aussicht, fast jeden Tag an einem anderen Ort zu übernachten sowie fünf Wochen auf einem Boot unterwegs zu sein?
Antwort : Nicht notwendigerweise, aber ein wenig von allem schadet bestimmt nicht!
Da das alles auf mich deutlich zutrifft, hatte ich diese Reise ursprünglich für das Jahr 2019 gebucht. Allerdings musste ich die Tour aufgrund von Niedrigwasser und Corona zweimal verschieben und konnte sie dann im Herbst 2021 endlich durchführen.
Wegen der langen Fahrtzeit hatte ich natürlich ein kleines und damit günstiges Boot gebucht. Die Riviera 750 ist aber - zumindest für eine Person - super ausreichend, fährt sich prima, hat nicht zuviel Tiefgang und ausreichend Stauraum. Die teils amüsierten Blicke unterwegs wegen meines "Beibootes" habe ich mit Gedanken an mein Bankkonto locker ertragen.
Den Rundkurs habe ich nach dem kurzen Stück auf der Saòne mit dem Canal de Bourgogne begonnen. Hierbei erwies es sich allerdings als schwierig und zeitraubend, an einem Sonnabend in die Ablaufroutine der Schleusenwärter hineinzukommen. Die erste Schleuse in den Kanal hinein konnte ich noch locker passieren, aber dann hieß es, dass ich mindestens drei Stunden warten müsse, weil es am Wochenende zu wenig Personal gäbe. Nach Ablauf von fast vier Stunden und etlichen Telefonaten mit den zuständigen Stellen an Land erschien dann tatsächlich eine total fröhliche Schleusenwärterin, die sich als erstes gleich für die Zustände entschuldigte. Personal gäbe es eigentlich genug, aber die Organisation sei sehr schlecht, allerdings läge das nicht in den Händen der Wärter. Immerhin sei das nur an den Wochenenden so …
In der Folge - einmal im System drin - reichten sich die Wärter durch alle Kanäle hindurch die Boote per Handy weiter. Und das klappte absolut reibungslos. Einfach Abends die Abfahrtszeit für den nächsten Tag angeben und fertig. Während der ganzen fünf Wochen gab es praktisch keine - typisch französischen - Verspätungen oder gar Ausfälle. Im Gegenteil waren sie fast alle immer superpünktlich.
Nach diesem holperigen Start und einer Nacht in Dijon, der Hauptstadt des Burgund, begann der Anstieg zum Scheitelpunkt des Kanals, der durch den Tunnel von Pouilly gebildet wird.
Landschaftlich ist das der schönste Teil der Strecke - durch dicht bewaldetes Gebiet mit einer noch überschaubaren Menge an Schleusen.
Eine Retourfahrt von St. Jean-de-Losne an der Saóne ist also durchaus machbar, wenn man eben nicht die Zeit für die große Tour hat.
Kurz vor dem Tunnel passiert man das Dorf Chàteauneuf´-en-Auxois , das man trotz des steilen Anstiegs unbedingt besuchen sollte.
Der Tunnel selbst ist 3.333 Meter lang und unbeleuchtet, für die Durchfahrt braucht man einen Scheinwerfer und muss die Schwimmweste anlegen. Wurde tatsächlich auch kontrolliert. Lustig war, das ich zwar per Handy auf der anderen Seite angekündigt wurde, aber trotzdem ein Walkie-Talkie mitbekam, um mich in der Tunneleinfahrt nochmals zu melden.
Nach dem Tunnel schleust man dann abwärts, was in Anbetracht der dann sehr zahlreichen Schleusen praktisch ist und auch einer der Gründe dafür, die Tour so herum zu fahren.
Einen Tag später kam ich dann in die Gegend mit drei Schleusenketten, die im Kanalführer sehr imposant aussieht. Auf die morgendliche Frage nach meinem Tagesziel machte ich nur eine vage Stundenangabe der Fahrzeit, woraufhin man mir ein Endziel nannte, mit dem ich echt nicht gerechnet hätte. Tatsächlich hat mich das Zweierteam der Wärter an diesem Tag innerhalb von sechs Stunden auf einer Strecke von 10 Kilometern durch 32 ! Schleusen geschubst. Manuelle Schleusen, wohlgemerkt. Das war eines der zwei Male auf der Reise, an dem ich gerne ein Trinkgeld gegeben habe.
Einen Tag später passierte ich ein Gebiet, in dem es unglaublich viel Algenbewuchs gab. Man musste immer mal wieder das Boot stoppen und Rückwärtsgas geben, um die Schraube zu befreien. Und vor ein paar Schleusen gab es regelrechte Teppiche von losgerissenen Algen. Bei einer davon war es dann soweit, dass ich trotz Vollgas in so einem Teppich hängen blieb. Wir mussten dann das Boot in die Schleuse ziehen. Und selbst das wäre fast nicht geglückt. Ein Stück weiter hörte der Spuk dann zum Glück schlagartig auf.
Weiter am Weg habe ich dann in der Stadt Tonnerre zum ersten Mal zwei Nächte hintereinander verbracht. So sehr weit ist es von dort bis zum Weinort Chablis nicht, also bin ich am nächsten Tag mit dem Rad dorthin gefahren. Die Idee und das Wetter waren gut, aber natürlich hatte der Hamburger Junge wieder mal das Wort WeinBERGE nicht in seiner wahren Bedeutung bedacht. Und die französischen Landstraßen sind alles andere als fahrradtauglich, weil fast komplett ohne Seitenstreifen und dadurch echt gefährlich. Gelohnt hat es sich trotzdem.
Einen Tag später hatte ich dann den Kanal mit seinen 240 Kilometern und 189 Schleusen nach knapp dreizehn Fahrtagen schon hinter mir und habe dabei einen Höhenunterschied von insgesamt 499 Metern überwunden. Und lag dabei auch noch prima in der Zeit. Zugegeben, natürlich war ich - wie immer - deutlich schneller unterwegs als erlaubt. Proteste seitens der Schleusenwärter gab es nie, sie haben im Gegenteil immer ihre Kollegen vorgewarnt, dass ich halt schnell sei. Und bei alledem muss man die Ingenieurskunst der damaligen Zeit natürlich wirklich bewundern.
Auf dem Weg zum Canal du Nivernais fährt man bis zur Stadt Auxerre im Flussbett der Yonne, die ein sehr schöner Parcours ist. Auf diesem kurzen Stück gibt es größere Schleusen mit teils auch schrägen Wänden und auch Schwimmpontons. Ab der Stadt Richtung Süden haben sie dann sogar nur eine Länge von dreißig Metern. In Auxerre kann man auch mitten in der Stadt am Quai oder auf der anderen Seite in Yachthäfen anlegen. Beides ist gebührenpflichtig und aufgrund von Restaurants und Spaziergängern auch unruhig. Ganz toll ruhig und umsonst liegt man dagegen nach der ersten Schleuse weiter aufwärts an einem öffentlichen Park. Bis zur Innenstadt mit der Kathedrale, dem Uhrenturm und schönen alten Fachwerkhäusern ist es von dort auch nicht weit.
Am nächsten Fahrtag glühte ich dann bei prima Wetter wieder fröhlich durch die Gegend, als gegen Nachmittag vom Motor her ein schrilles metallisches Geräusch zu hören war. Natürlich habe ich sofort den Motor gedrosselt, aber das half auch nicht. Bin dann langsam in die nahe nächste Schleuse gefahren und wollte das Boot dann abbremsen. Präzise dann aber streikte die Welle , und der Schleusenwärter, der zum Glück genau richtig stand, musste das Boot per Leine stoppen. Wir haben es dann durchgeschleust und per Hand ans Ufer gezogen. Unter der Notrufnummer habe ich zwar bei der Basis jemanden erreicht, aber - es war Sonntag - natürlich kam an dem Tag niemand mehr zum Reparieren.
Und auch am Montag dauerte es glatt bis zum Mittag, bevor ein Mechaniker von der nächsten, so cirka 60 Kilometer entfernten Basis auftauchte. So sehr erfahren auf Booten war er noch nicht, hat aber alles ausgeführt, was man ihm telefonisch auftrug. Unter anderem holte er beim Schraubencheck eine komplette Hundeleine hervor, die sich wohl darumgewickelt hatte. Ohne den Hund, zum Glück. Und irgendwann wurde klar, das es sich nur noch um die Metallscheibe der Kupplung handeln konnte. Die aber musste erst von weit weg besorgt werden, aber er wollte dann später mit seinem Chef und dem Ersatzteil wiederkommen. Prima!
Und als ich dann Abends die beiden schon abgeschrieben hatte und echt stinkig war, kamen sie tatsächlich um 21 !! Uhr doch noch an. Haben dann konzentriert, mit viel Fluchen und doch fröhlich zwei Stunden lang den Motor von der Welle getrennt, das Ersatzteil eingebaut und wollten dann am nächsten Morgen ab neun Uhr - es war inzwischen nach 23 Uhr - den Rest machen. Ob das ok sei? Klar war es das ...
Und tatsächlich hatte ich um kurz nach 10 Uhr am nächsten Tag wieder ein fahrtüchtiges Boot. Soviel Einsatz hatte mich echt beeindruckt. Allerdings hatte ich aus den zahlreichen Telefonaten des Chefs auch den Eindruck gewonnen, dass da im Hintergrund jemand mächtig Druck gemacht hatte ...
Übrigens ist das Boot zwar alt, aber die Technik nicht, und der Motor war mit seinen 1.600 Betriebsstunden noch recht neu. Verschleiß eben. Nur gut , das es mich nicht auf offener Strecke erwischt hatte und jemand mich noch hätte abschleppen müssen! Den komplett ausgefallenen Tag durfte ich natürlich nachholen.
Auf dem Weg nach Clamecy, der früheren Hauptstadt des Holzflößens, passiert man recht hohe Muschelkalkfelsen aus der Eiszeit.
Weiter am Weg liegt ein imposant großer Stausee, der Étang de Baye. Vorher passiert man eine Schleusentreppe mit 12 hintereinander liegenden Schleusen auf zwei Kilometern sowie drei kurze Tunnel. Für beides zusammen brauchte ich nur 2,5 Stunden, weil das Schleusenteam es echt eilig hatte!
Ein paar Tage später war ich dann schon in der Stadt Decize, am Zusammenfluss der Loire, des Canal du Nivernais und dem Canal latéral à la Loire gelegen. Hier gibt es ein altes Schleppschiff zu besichtigen, das bis 1975 die Frachtschiffe über das gefährliche Stück der Loire transportierte, indem es sich an einer auf dem Grund liegenden Kette entlang zog.
Von dort aus war ich dann schnell auf dem letzten Kanal der Rundreise, dem Canal du Centre. Dieser beginnt ab der Stadt Digoin, in der es eine große Bootsbasis und eine tolle gemauerte Kanalbrücke über die Loire gibt. Die Stadt selber ist allerdings wirklich nicht schön und das erste Stück des Kanals auch nicht. Aber im nördlichen Drittel passiert der Kanal dann eine wunderschöne Gegend mit vielen sanften Weinbergen. Hier befindet man sich am südlichen Rand der Cóte de Beaune, aus der die bekanntesten Weine des Burgund stammen. Folgerichtig habe ich dann hier auch etwas mehr Zeit verbracht und bin mit dem Rad durch die kleinen Weinorte mit großen Namen und am zweiten Tag auch bis zur Stadt Beaune gefahren. Hier empfiehlt sich eine Besichtigung des bekannten Hótel-Dieu im Hospices de Beaune, einem der ersten Krankenhäuser mit Gründungsdatum 1443.
Von hier bis zur Saóne sind es auf dem Kanal nur gut 20 Kilometer und von dort wiederum bis St. Jean-de-Losne etwa 60 Kilometer, so dass sich diese Gegend auch prima per Kurztrip befahren lässt. Die Schleusen auf dem Canal du Centre sind übrigens fast alle automatisch in Selbstbedienung. Man muss nur am Vortag eine zentrale Telefonnummer anrufen, damit die Wärter die Schleusen vorbereiten können. Im Gegensatz zu den Aussagen der Wärter ist die Zentrale zum Beispiel Sonntags aber gar nicht besetzt und während des Mittags auch nicht. Sehr französisch, wieder mal ... Es gibt auch ein paar Schleusen mit einem Hub von jeweils fünf Metern, aber durch die vorhandenen Schwimmpoller ist auch das kein Problem. Gleiches gilt auch für die letzte Schleuse des Kanals zur Saóne hin, die über einen Fall von fast 11 Metern verfügt.
Dergestalt auf dem Fluss Richtung Heimatbasis, hatte ich noch etwas über 100 Kilometer mit ganzen vier Schleusen vor mir und wurde schon richtig wehmütig ... Der Fluss ist hier recht breit, aber ohne nennenswerte Strömung. Die beiden großen Schleusen haben allerdings eine Länge von 185 Metern, und ich hatte fast ein schlechtes Gewissen dabei, dass die komplette Wasserfüllung für mein kleines Boot benötigt wurde.
Nach etwas über 30 Fahrtagen, ziemlich genau 1.000 überwundenen Höhenmetern und dem "Verbrauch" von cirka 120 Schleusenwärtern hatte ich es dann geschafft. Und trotz der langen Strecke hatte ich nur 82 Motorstunden benötig, was den Basisleiter doch sehr erstaunte. Aber natürlich hatte ich den Diesel in den Schleusen nie mitlaufen lassen.
Bei der Abgabe des Bootes in der Basis Freitag Abend habe ich dann nicht schlecht gestaunt ob der wahren Horden an Menschen, die so spät im Jahr unter lautem Geschnatter viele der Boote noch für eine Kurztour stürmten. Da habe ich mein Boot für die letzte Nacht doch lieber draußen ans Ufer verholt und nahm dann am Sonnabend die 1.000 Kilometer zurück bis nach Hamburg unter die Räder.
Übrigens kann man von dieser Basis aus noch eine andere, etwas kürzere Rundtour - auch über verschiedene Kanäle fahren. Das Boot ist gebucht ...
Sven Brouwer
Wir bedanken uns recht herzlich bei unserem Kunden Sven Brouwer für diesen äußerst interessanten und ausführlichen Bericht über einen Ein-Personen-Hausboot-Urlaub im Burgund.